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bb hp 20220412 wahlpruefsteine landtagswahlenSehr geehrte Landtagskandidatinnen und Landtagskandidaten,

keine einzige Fraktion des bayerischen Landtags hatte in der letzten Legislaturperiode wirklich die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf ihrer Agenda. Diese Tatsache mussten wir als Münchner Behindertenbeirat bedauerlicherweise ebenso zur Kenntnis nehmen, wie der Münchner Behinderten-beauftragte, Herr Oswald Utz.

Aus diesem Grund würden wir Sie gerne ganz persönlich fragen, ob, sofern sie ein Landtagsmandat erhalten, die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und damit die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, ein Schwerpunkt Ihrer Politik sein werden?

Zu diesem Thema haben wir auf Vorlage der Forderungen des Verbunds kommunaler Interessensvertreter*innen in Bayern (VKIB) konkrete Fragestellungen an Sie erarbeitet und bitten Sie uns diese zu beantworten.

Uns ist bewusst, dass nicht alle Fragen in den Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Landtages fallen, vielleicht ist es Ihnen trotzdem möglich hier für Ihre Partei eine Aussage zu treffen bzw. sich bei Ihren Bezirkstagskandidaten*innen dafür einzusetzen.
Gerne würden wir dann Anfang 2025 wieder auf Sie zukommen um von Ihnen zu erfahren, welche konkreten Veränderungen und Entwicklungen Sie bezüglich dieser Themen bereits auf den Weg gebracht haben.

Unsere Forderungen und Fragen sind hier kurz zusammengefasst.
Im barrierefreien PDF finden Sie die Forderungen mit Erklärungen und Fragen.

1. Umsetzung des BTHG
Forderung:
Wir fordern die konsequente Umsetzung der Grundanliegen des BTHG in Bayern, insbesondere durch die zeitnahe Einführung eines Bedarfsermittlungsinstrumentes, welches gerade unter Einbeziehung der Betroffenen transparent entwickelt wurde.
Frage:
Wie wollen Sie, insbesondere auf Bezirksebene, dafür sorgen, dass die Betroffenen bei den sie betreffenden Entscheidungen transparent und nachhaltig beteiligt werden?

2. Umsetzung des Budgets für Arbeit vorantreiben
Forderung:
Wir fordern die Bayerische Staatsregierung auf, gemeinsam mit den Bezirken für die schnelle Umsetzung des Budgets für Arbeit zu sorgen.
Frage:
Wie wollen Sie die Kontrollfunktion ausgestalten und wie wollen Sie auf Landesebene die Nutzung dieses Instrumentes deutlich verbessern und vereinfachen?

3. Einheitliches Behindertengeld
Forderung:
Wir fordern die Einführung eines Behindertengeldes auf bayerischer Ebene.
Frage:
Werden Sie hierzu eine Gesetzesinitiative ergreifen, wenn Sie an der Regierung beteiligt sind?

4. Einführung einer Landesschlichtungsstelle
Forderung:
Wir fordern die Einführung einer Landesschlichtungsstelle, angesiedelt beim Bayerischen Landesbehindertenbeauftragten
Frage:
Werden Sie hierzu eine Gesetzesinitiative ergreifen, wenn Sie an der Regierung beteiligt sind?

5. Pflegenotstand im heilpädagogischen Bereich bekämpfen
Forderung:
Wir fordern den Freistaat Bayern auf, in seinem Zuständigkeitsbereich den heilpädagogischen Bereich zu unterstützen und über die Bezirke auskömmlich zu finanzieren.
Frage:
Mit welchen Konzepten und Initiativen planen Sie die Arbeit im heilpädagogischen Bereich unterstützen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern?

6. Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit verpflichten!
Forderung:
Wir fordern den Freistaat Bayern auf, in seinem Zuständigkeitsbereich Dienstleistungen, Waren und Angebote der Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu verpflichten bzw. diese bereit zu stellen. Dies beinhaltet insbesondere auch die Übersetzung von Dokumenten und Broschüren in Leichte Sprache und Angebote in Deutscher Gebärdensprache.
Frage:
In welchen Zuständigkeitsbereichen wollen Sie die Verpflichtung und in welchen Bereichen sehen Sie Probleme?

7. Artikel 48 „Barrierefreies Bauen“ in der bayerischen Bauordnung weiterentwickeln!
Forderung:
Artikel 48 der BayBO muss bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen auch im Alter möglichst lange zu Hause selbstbestimmt und weitgehend unabhängig leben wollen, ist diese Vorschrift bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.
Frage:
Setzen Sie sich dafür ein, dass Art. 48 bedarfsgerecht weiterentwickelt wird und insbesondere eine Quote für R-Wohnungen aufgenommen wird?

Diese Forderung betrifft im engeren Sinne auch einen weiteren wichtigen Lebensbereich, die persönliche Freizeitgestaltung.
Forderung:
Bayern soll die MBeVO übernehmen. Die MBeVO sieht im § 11 vor, dass 10 % der Gastbetten in barrierefreien Räumen und ab 60 Gastbetten 1 % der Gastbetten in rollstuhlgerechten Räumen (die Räume sind analog zu Wohnungen nach DIN 18040-2 definiert) vorhanden sein müssen. In der bayerischen BStättV fehlt dieser Paragraf. Das führt dazu, dass in Bayern in den meisten Hotels keine oder nicht ausreichend viele barrierefreie oder rollstuhlgerechte Zimmer vorhanden sind oder zumindest nicht den Anforderungen der DIN 18040-2 genügen.
Frage:
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Bayern den §11 MBeVO in die BStättV übernimmt?

8. Im Baugenehmigungsverfahren muss Barrierefreiheit als Prüfkriterium wieder eingeführt werden
Forderung:
Im Zuge der Vereinfachung des Baugenehmigungsverfahrens (Art. 59 BayBO) wurde das Prüfkriterium Barrierefreiheit gestrichen. Wir fordern die Wiedereinführung des Prüfkriteriums Barrierefreiheit auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren.
Frage: Setzen Sie sich für die Wiedereinführung des Prüfkriteriums Barrierefreiheit im Art. 59 BayBO ein?

Wir möchten diese Forderung des VKIB mit einer weiteren Frage an Sie ergänzen:
Forderung:
Bayern muss die Barrierefreiheit gemäß der DIN-Vorschriften auch bei Bauten nach der Gebäudeklasse E verbindlich anordnen.
In der Sitzung des Ausschusses für Wohnen, Bau und Verkehr des Bayerischen Landtags vom 28.06.2022 über die Gebäudeklasse E wurden als unverzichtbare Kriterien nur Standsicherheit, Brandschutz und Verkehrssicherheit genannt. Alles andere wäre Verhandlungssache, auch die Barrierefreiheit.
Frage:
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch bei Bauten der Gebäudeklasse E die DIN-Vorschriften zur Barrierefreiheit eingehalten werden müssen?

9. Inklusion an bayerischen Schulen umsetzen!
Forderung:
Wir fordern eine verbindliche Gesamtstrategie zur Umsetzung von Inklusion im bayerischen Schulwesen.
Frage:
Wie sieht Ihre Gesamtstrategie aus und welche konkreten Schritte zur zügigen Umsetzung von Inklusion an allen Schulen wollen Sie trägerunabhängig realisieren?

Auch diese Forderung des VKIB müssen und wollen wir an dieser Stelle inhaltlich und mit zwei weiteren Fragen ergänzen:
In der Antwort des Bayerischen Kultusministeriums an die Präsidentin des Forums Bildungspolitik in Bayern, Frau Simone Fleischmann, auf die Petition „Stufenplan Inklusion“ vom Sommer Anstrengungen gelobt. Wir können diesen dort beschriebenen positiven Trend mittlerweile nicht mehr erkennen und sind erschüttert, dass die Petition abgewiesen wurde.
Kommunale Schulen und Schulen in privater Trägerschaft erhalten weiterhin kaum Mittel für eine wirksame Umsetzung des Artikels 2 Bay EUG. Brauchbare Schritte und Mittel zur Umsetzung eines inklusiven Schulsystems sind bis auf wenige Ausnahmen nur für staatliche Schulen vorgesehen.
Frage:
Wann wird die dringend notwendige Reformierung des Schulfinanzierungsgesetzes in Angriff genommen?
Und wie sieht Ihrer Meinung nach eine einheitliche Strategie zur Fort- und Weiterbildung der vielen Quereinsteiger*innen, die jetzt den Alltag in unseren Schulen mitgestalten sollen, aus?

10. Arbeitsmarkt inklusiv gestalten
Forderung:
Wir fordern Anstrengungen in Bayern zur Realisierung eines inklusiven Arbeitsmarktes.
Frage:
Wie sehen Ihrer Meinung nach konkrete Schritte aus, um jungen Menschen mit Behinderung den Übergang von Schule in die Arbeitswelt zu ermöglichen und die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Schwerbehinderung zu reduzieren - auch im Zusammenspiel mit der Bundesagentur für Arbeit?

11. ÖPNV barrierefrei machen!
Forderung:
Wir fordern den Freistaat Bayern auf, die im Grundkonzept „Bayern barrierefrei 2023“ zum Ausdruck kommenden Anstrengungen noch zu verstärken und in seinem Zuständigkeitsbereich liegende Maßnahmen zu ergreifen, die ein Erreichen der zugesicherten Barrierefreiheit des ÖPNV zeitnah sicherstellen.
Frage:
Wie sehen Ihre konkreten Umsetzungsschritte aus, um die Ziele des Programms „Bayern barrierefrei 2023“ doch noch zeitnah umzusetzen und welchen zeitlichen Horizont peilen Sie dazu an?

Im barrierefreien PDF finden Sie die Forderungen mit Erklärungen und Fragen.